SFB 1357 TPB02: Verhalten und Transport von Mikroplastik in der strömungsarmen Wassersäule
SFB1357 B02
From 10/2019 to 11/2022
Principal Investigator:
Ben Gilfedder,
Jan Fleckenstein,
Martin Obst,
Sven Frei
Staff:
Hassan Elagami
Ziel des Teilprojektes B02 ist es, die Wechselwirkungen zwischen physikalischen, biogeochemischen
und biologischen Einflüssen auf Transport, Sedimentation und Verteilung von MP in stehenden
Gewässern zu verstehen. Untersuchungen hierzu sind an wohldefinierten Modellsystemen in
Kombination mit numerischen Simulationen geplant. Bisher gibt es kaum systematische Untersuchungen
zu Transport und Sedimentation von MP in stehenden Gewässern. Der Schwerpunkt der
wenigen vorhandenen Arbeiten lag hier bisher meist auf der reinen Quantifizierung der MP-Kontamination
im Sediment oder an der Wasseroberfläche. Ein grundlegendes mechanistisches Verständnis
der wichtigsten Transport- und Sedimentationsprozesse von MP ist jedoch zwingend notwendig,
um ein Verständnis über die Migration und Verteilung, die Verweilzeit in der Wassersäule
sowie das Sedimentationsverhalten zu erlangen, potenzielle Senken für MP zu erfassen und somit
Orte erhöhter Exposition von Organismen mit MP zu identifizieren.
Die Arbeiten in B02 sind in drei Arbeitspakete (APs) unterteilt, die sowohl Labor- und Freiland experimente
in Modellsystemen sowie ‚virtuelle Experimente‘ mit physikalisch-basierten numerischen
Modellierungen den MP-Transports umfassen. In AP1 soll in Labormodellsystemen das Sedimentationsverhalten
von MP unter unterschiedlich kontrollierten Bedingungen in Sedimentationssäulen
untersucht werden. Da Skalen und Prozesse einer stehenden Wassersäule im Labor nur sehr eingeschränkt
abzubilden sind, stehen zusätzlich kontrollierte Freilandexperimente zur Verfügung.
Hierzu werden MP-Expositions-Experimente in wohldefinierten Modell-Freilandsystemen, sogenannten
Mesokosmen durchgeführt. Die Mesokosmen werden am Großen Brombachsee (Bayern)
installiert, wo fluoreszierende Modell-MP-Partikel (PS, PP, Z01) sowohl an der Wasseroberfläche
als auch innerhalb der drei Seenschichten Hypolimnion, Metalimnion und Epilimnion zugefügt werden.
In der ersten Expositionsphase werden filtrierendes Zooplankton und andere größere Organismen
ausgeschlossen, um die biologische Komplexität des Systems zu reduzieren. Während der
Exposition werden regelmäßig biotische und abiotische Parameter in den Mesokosmen sowie die
hydrodynamischen Bedingungen aufgezeichnet. Die MP-Konzentrationen werden durch in-situ Fluoreszenzmessungen
(GGUN FL24) über das Tiefenprofil bestimmt und die Sedimentation mit Sedimentfallen
gemessen. Die MP-Partikelgrößen- und Kunststofftypenzusammensetzung in den einzelnen
Seenschichten und in den Sedimentfallen werden über diskrete Probenahmen untersucht.
In weiterführenden Mesokosmen-Experimenten werden in Zusammenarbeit mit A01 der filtrierende
Modellorganismus Daphnia sowie Büschelmückenlarven als Prädatoren zugesetzt, um die biologisch-
getriebene Migration von MP in der Wassersäule (tagesperiodische Vertikalwanderung, Sedimentation
von MP in Kotballen und in abgestorbenen Organismen) zu untersuchen. Im Freiland
konditionierte MP-Partikel (Biofilm, Alterung, Aggregation) werden schichtspezifisch entnommen,
charakterisiert und iterativ in die Sedimentationsexperimente ins Labor zurückgeführt, wo das Sedimentationsverhalten
mittels Laser-Doppler-Anemometrie (B05) untersucht wird. Des Weiteren
werden im AP2 MP aus den Mesokosmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten mikroskopisch charakterisiert
(3D konfokale Lasermikroskopie, Rasterelektronenmikroskopie). Der Schwerpunkt liegt
hierbei auf der Identifikation mikrobieller Veränderungen an den Partikeloberflächen, insbesondere
durch die Besiedlung von MP durch Mikroorganismen und der Produktion von extrazellulären polymeren
Substanzen (EPS) sowie deren Wechselwirkungen mit anorganischen Ionen wie Fe2+/Fe3+,
Ca2+, CO32-. Die physikochemischen Eigenschaften der MP-Oberfläche werden in Zusammenarbeit
mit B01 untersucht (z.B. Zeta-Potential). Daraus wird abgeleitet, wie Biofilme den physikalischen
Transport v.a. durch Änderung der Partikeldichte beeinflussen. In AP3 werden numerische Modelle
genutzt, um das spezifische Verhalten und den Transport von MP in stehenden Gewässern auf
unterschiedlichen Skalen und mit unterschiedlicher Komplexität mechanistisch zu beschreiben und
zu quantifizieren. Dabei werden in enger Zusammenarbeit mit AP1 zunächst Modellszenarien in
Anlehnung an die Mesokosmen entwickelt und es erfolgt die Auswahl eines numerischen Codes
(Software), der die relevanten Transportprozesse und MP-Eigenschaften (in enger Abstimmung mit
AP2) adäquat abbilden kann. Hier soll der Einfluss der limno-physikalischen Randbedingungen wie
Wind, Wellenbewegung, Temperaturschichtung sowie Dichte des Wassers und des MP auf den
MP-Transport systematisch untersucht werden. Dabei nimmt die Komplexität der Modelle ausgehend
von ersten 1D oder 2D-Simulationen der Modell-Mesokosmen über idealisierte 3D-Seesystemen
bis hin zu realen Seesystemen zu. Mit dieser Art von „virtuellen See-Experimenten“ ist es
möglich ein skalenübergreifendes mechanistisches Verständnis über den MP-Transport in stehenden
Gewässern zu erhalten.
Diese Kombination aus modellhaften Labor-, und kontrollierten Mesokosmenstudien sowie hydrodynamischer
Modellierung wird ein wissenschaftlich fundiertes Verständnis des MP-Transports in
stehenden Gewässern ermöglichen. Über die vertikale Auftretenswahrscheinlichkeit von MP in Zusammenhang
mit den dort vorkommenden Organismen wird zudem eine fundamentale Basis zur
Abschätzung von potenziellen Umweltrisiken von MP in lentischen Systemen geschaffen.